Der Schwarze Tod war das größte Sterbeereignis in der Geschichte der Menschheit. Die durch das Bakterium Yersinia pestis verursachte weltweite Beulenpest-Pandemie löschte 30 bis 60 Prozent der Menschen in Städten in Nordafrika, Europa und Asien aus.
Mit großer Wahrscheinlichkeit trugen die Überlebenden der Pest spezielle Genvarianten in sich, die ihre Immunantwort auf Yersinia pestis verstärkten. Eine dieser Varianten in sich zu tagen scheint die Chance, die Pest zu überleben, um 40 Prozent erhöht zu haben, berichten Wissenschaftler.
Neue Forschungsergebnisse belegen, dass eine der dunkelsten Perioden der Menschheitsgeschichte einen erheblichen Selektionsdruck auf die Bevölkerung ausübte, der die Häufigkeit bestimmter immunbezogener genetischer Varianten innerhalb der Population veränderte und sogar unsere heutige Krankheitsanfälligkeit beeinflusst.
Forscher gehen seit Langem davon aus, dass diese Katastrophe eine Spur im Genom der Überlebenden hinterlassen hat, das den künftigen Generationen eine gewisse Immunität gegen ein Wiederaufflammen der Seuche verleiht. Die Identifizierung dieser Spuren hat sich jedoch als schwierig erwiesen, unter anderem weil sich die Häufigkeit der an der Immunität beteiligten Gene mit dem Auftreten neuer Krankheitserreger und dem Verschwinden der Pest rasch ändert.
Also warum starben einige Menschen an der Pest und andere nicht?
Die Forscher der University of Chicago, der McMaster University und des Institut Pasteur fanden eine Antwort auf dem East Smithfield Cemetery in London Tausende Pestopfer, die in den Jahren 1348 und 1349 starben, als die Krankheit zum ersten Mal in der Stadt wütete, liegen hier in Massengräbern begraben. Überlebende, die 1350 oder später starben, liegen darüber.
Das Team entnahm Knochenproben von 318 Skeletten von diesem und zwei weiteren Friedhöfen in London sowie von 198 Überresten, die an fünf Fundorten in Dänemark gefunden wurden. So erhielten sie gut datierte Proben von etwa 500 Menschen, die in einem Zeitfenster von 100 Jahren vor, während und nach der Pest lebten.
Die Forscher fanden in ihren Proben zwei Varianten des Proteins ERAP2, welches bei der immun Antwort eine Rolle spielt, die sich nur durch einen Buchstaben im genetischen Code unterscheiden. Dieser Unterschied, der bestimmt, ob das Gen ein vollständiges oder ein verkürztes Protein produziert, hatte jedoch einen großen Einfluss auf die Immunität: Menschen, die zwei Kopien der Variante für das vollständige Protein geerbt hatten, überlebten die Pest mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit wie diejenigen, die die Variante für die verkürzte Version geerbt hatten.
Eine Analyse von 143 Proben aus London ergab außerdem, dass vor der Pest 40 Prozent der Londoner eine oder zwei Kopien der Schutzvariante trugen. Aber nur 35 Prozent der Pestopfer hatten sie. Und nach der Pest stieg der Anteil der Londoner mit der schützenden Variante innerhalb weniger Generationen auf über 50 Prozent. In Dänemark, wo die Stichprobengröße kleiner war, stieg der Anteil der Träger der Schutzvariante von 45 Prozent vor dem Schwarzen Tod auf 70 Prozent danach.
Heute ist die schützende Variante noch bei etwa 45 Prozent der Briten zu finden. Das ist erstaunlich viel, denn die schützende Variante hat eine Kehrseite. Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass sie mit einem höheren Risiko für Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn und rheumatoider Arthritis einhergeht. Der hohe Anteil der Variante deutet darauf hin, dass die natürliche Selektion sie bis vor kurzem begünstigt hat, vermutlich weil die Pest in Europa und Asien bis ins 19. Jahrhundert grassierte.
Die Ergebnisse zeigen auch, dass der Schwarze Tod zu einem dramatischen Anstieg des Anteils der Menschen führte, die die schützende Variante in sich trugen; dies ist der stärkste Anstieg der natürlichen Selektion im menschlichen Genom, der bisher dokumentiert wurde. Doch die verbesserte Immunität hatte ihren Preis: Heute wird die Variante auch mit einem höheren Risiko für Autoimmunkrankheiten in Verbindung gebracht.
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Original Publikation:
Klunk, J., Vilgalys, T.P., Demeure, C.E. et al. Evolution of immune genes is associated with the Black Death. Nature (2022). doi.org/10.1038/s41586-022-05349-x